Mistelbekämpfung
Die Laubholzmistel (Viscium album) befällt vorzugsweise Apfelbäume und Pappeln, seltener Obstbäume wie Birnen oder Weichholzbaumarten wie Weide und Linde. „Es werden bevorzugt bereits geschwächte Bäume parasitiert, bei hohem Befallsdruck sind auch vitale Bäume unabhängig vom Alter betroffen […].“ (BOSCH 2016, S. 179)
Wieso stellt die Mistel ein Problem dar?
Als sogenannter Halbschmarotzer, entzieht die Laubholzmistel ihrem Wirtsbaum Wasser und Nährsalze, indem er als Keimling in die Wasserleitungsbahnen seines Wirtsastes treibt. Der Baum wird dadurch geschwächt und die Baumvitalität lässt nach, wodurch Äste, Kronenbereiche oder sogar ganze Bäume absterben können. (Vgl. FRANZ 2018)
In niederschlagsarmen Perioden erhöht sich der Trockenstress für von Misteln befallene Bäume (Vgl. REISCH o.J.). Zudem können Äste von vor allem älteren Bäumen, besonders bei Sturm und Schnee, durch das Gewicht und der Windangriffsfläche der Misteln brechen (Vgl. FRANZ 2018).
Wie wird die Mistel verbreitet?
Verbreitet wird die Mistel durch Singvögel. Im Winter fressen sie gerne die weißen, klebrigen Früchte der Mistel (s. Abb. 2), in denen die Samen zur Verbreitung liegen. Beim Fressen der Früchte werden die klebrigen Samen an Äste abgestreift oder mit dem Kot auf andere Äste ausgeschieden. Auch beim Herabfallen der Beeren können diese auf darunterliegende Äste kleben bleiben und keimen. (Vgl. REISCH o.J.)
Durch die Verbreitungsart der Mistel kann sie sich somit schnell verbreiten oder Bäume mehrfach befallen.
Wieso sind so viele Obstbäume befallen?
Misteln haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verbreiten können, da die meisten Streuobstwiesen nicht mehr oder kaum mehr genutzt werden. Früher waren die Streuobstwiesen für den Menschen wertvoll. Sie pflegten sie regelmäßig, um den Ertrag und die Qualität der Früchte zu steigern und den Baum möglichst lange nutzen zu können. Bei einem Obstbaumschnitt wurde die Mistel, wie es heute noch Praxis ist, immer konsequent entfernt. Dadurch konnten zum Großteil Misteln entfernt werden, noch bevor sie Früchte trugen und sich ausbreiten konnten. (Vgl. FRANZ 2018)
Heutzutage sieht es mit der Obstbaumpflege anders aus. Die Streuobstwiesen werden kaum noch genutzt, weshalb die Baumpflege vernachlässigt wird. Misteln haben dadurch genug Zeit zu wachsen, ihre Früchte auszureifen und von Singvögeln verbreitet zu werden. (Vgl. FRANZ 2018)
Wie lässt sich die Mistel bekämpfen?
Die Verbreitung der Mistel lässt sich nur eindämmen, wenn sie aus den Streuobstbeständen regelmäßig und fachgerecht entfernt wird. Bei der Bekämpfung muss folgendes beachtet werden:
- Die Mistelbekämpfung muss großflächig erfolgen, um einen raschen Wiederbefall der von Misteln befreiten Bestände zu verhindern. Nicht nur einzelne Streuobstwiesen, sondern auch umliegende Bereiche müssen also gepflegt werden. (Vgl. TMUEN 2022)
- Die Mistel kann bereits nach 4 Jahren reife Früchte tragen (Vgl. FRANZ 2018). Um die Fruchtbildung und die Ausbreitung der in ihr liegenden Samen zu verhindern, müssen Kontrollen im Abstand von 3 Jahren erfolgen und Misteln fachgerecht entfernt werden.
- Werden Misteln entfernt, ist eine Nachkontrolle im Folgejahr durchzuführen. Bei der Erstkontrolle können nämlich Keimlinge oder Samen an den befallenen Bäumen übersehen werden oder beim Entfernen der Misteln Restbestandteile im Ast verbleiben. Wird eine Mistel nicht vollständig entfernt, kann sie im nächsten Jahr wieder austreiben.
- Eine regelmäßige Kontrolle ermöglicht auch die Entfernung der Mistel im Keimlingsstadium. In dem Stadium, wie in Abb. 3 abgebildet, ist sie am leichtesten zu entfernen und die Entfernung ist schonender für den Wirtsbaum. Eine ältere Mistel erfordert hingegen einen deutlich höheren Pflegeaufwand und der notwendige Eingriff wirkt oftmals schädigend auf den Wirtsbaum.
- Die Kontrolle und Pflege bieten sich besonders in den Wintermonaten an, weil in der laubfreien Zeit die Mistel und ihr Keimling am besten zu erkennen ist.
- Bei der Mistelentfernung muss zwischen den verschiedenen Lebensstadien der Mistel und ihrer Position im Baum unterschieden werden:
- Mistelkeimling ohne Seitenwurzel (in den ersten 3 Jahren)
- Mistel mit Seitenwurzel und Senkwurzel (nach ca. 3 Jahren)
- Mistel auf Ästen mit gerüstbildender Funktion (im Innenbereich)
1. Mistelkeimling ohne Seitenwurzel (in den ersten 3 Jahren)
Mistelkeimlinge lassen sich mitsamt der Senkwurzel durch eine Bohrung (s. Abb. 4) oder Auskerbung (s. Abb. 5) vollständig entfernen (Vgl. REISCH o.J.). „Hierbei ist zu beachten, dass größere Keilschnitte insbesondere auf der Leitastoberseite schlecht verheilen und die Aststabilität beeinträchtigen können.“ (REISCH o.J.)
2. Mistel mit Seitenwurzel und Senkwurzel (älter als 3 Jahre)
Hat eine Mistel schon ihre Seiten- und Senkwurzel ausgebildet (s. Abb. 5), muss der befallene Ast oftmals „weit genug hinter die Mistel, oft mehr als 30 cm, zurückgesägt“ (REISCH o.J.) werden. Nach dem Schnitt ist an der Schnittstelle zu prüfen, ob die Seitenwurzel vollständig entfernt wurde, um ein erneutes Austreiben der Mistel zu vermeiden (Vgl. FRANZ 2018). Die Seitenwurzeln „[…] sind als hellgrüne Leitungsbahn direkt unter der Rinde gut zu erkennen.“ (REISCH o.J.)
Äste bis ca. 10 cm Durchmesser können aufgrund der Wundgröße im Baum oftmals problemlos entnommen werden. Größere Äste ab ca. 10 cm Durchmesser wirken bei ihrer Entnahme potenziell baumschädigend. Bei Bäumen die jährlich kontrolliert oder gepflegt werden können, kann das jährliche Herausbrechen der Mistel bei Ästen ab ca. 10 cm Durchmesser baumschonender sein.
3. Mistel auf Ästen mit gerüstbildender Funktion (im Innenbereich und älter als 3 Jahre)
Bei Ästen mit gerüstbildender Funktion handelt es sich um den Stamm, die Stammverlängerung und Leitäste im inneren Kronenbereich. In diesen Bereichen kann die Mistel nur herausgebrochen werden, denn schneidet man sie stattdessen heraus, wird der Baum stark beschädigt. Beim Herausbrechen der Mistel bleiben die Senkwurzel und Seitenwurzel im Ast, weshalb die Mistel danach wieder austreibt und nach ca. 4 Jahren erneut Samen produziert. Neuaustriebe müssen deshalb mindestens alle 3 Jahre, also noch vor der Samenbildung entfernt werden, um die Ausbreitung der Samen zu verhindern. (Vgl. REISCH o.J.)
Bei Fragen können Sie gerne unseren Ansprechpartner für Streuobst Herrn Schauder oder den Obstbaubeauftragten des Landratsamtes Herrn Bernhard Reisch kontaktieren.
Quellen
BOSCH, H.-T. (2016): Naturgemäße Kronenpflege am Obsthochstamm. 2. deutlich überarbeitete und erweiterte Auflage. Ravensburg 2016, Druckwerk SÜD GmbH & Co. KG, S. 179
FRANZ, M. (2018): Die Mistel. Eine Gefahr für unsere Obstbäume, URL: https://www.pomologen-verein.de/ (abgerufen am 16.01.2023)
MAY, H. (o.J.): “Zauberpflanze” mit Schattenseiten: Die Laubholzmistel, URL: https://www.nabu.de/news/2017/02/22045.html (abgerufen am 23.01.2023)
REISCH, B. (o.J.): Die Mistel – eine Gefahr für unsere Apfelbäume, https://www.enzkreis.de/Kreis-Verwaltung/Forsten-Landwirtschaft-mit-Ern%C3%A4hrung-Vermessung-Flurneuordnung-und-%C3%B6ffentliche-Ordnung/Landwirtschaftsamt/Obst-und-Gartenbau (abgerufen am 16.01.2023)
THÜRINGER MINISTERIUM FÜR UMWELT, ENERGIE UND NATURSCHUTZ (TMUEN) (Hrsg.) (2022): Handlungskonzept Streuobst Thüringen. Fachliche Standards zur Pflanzung und Pflege für die Eingriffsregelung und Förderung, URL: https://streuobst-thueringen.de/handlungskonzept-streuobst-thueringen/ (abgerufen am 16.01.2023)