Ackerwildkraut-Projekt
Aufgrund des extremen Artenschwundes der Ackerwildkräuter war klar, dass es einen konzeptionellen Ackerwildkrautschutz im Enzkreis geben muss, der die Arten wieder weiträumig auf die Flächen bringt und sie so vom Aussterben schützt. Im Jahr 2005 wurde schließlich das Projekt „Ackern für die Wildkräuter – Erhalt seltener Ackerwildkrautarten im Enzkreis“ ins Leben gerufen.
Unser Dank gilt den Landwirten und Landwirtinnen, die sich engagiert an dem Projekt beteiligen, dem miteinanderleben e.V. für die gute Zusammenarbeit und dem Enzkreis für die dauerhafte finanzielle Unterstützung.
2022 überzeugte das Projekt sogar die Jury des Landeswettbewerbs “Baden-Württemberg blüht” und war unter den prämierten Projekten, die neue Lebensräume für heimische Tier- und Pflanzenarten schaffen, erhalten oder wiederherstellen sollen.
Im Folgenden wird das Projekt näher beschrieben und auf die einzelnen Projektschritte eingegangen, die in der untenstehenden Abbildung in zeitlicher Abfolge dargestellt sind.

Zielsetzung
Das Projekt soll sich dem Erhalt und der flächendeckenden Verbreitung seltener, autochthoner Ackerwildkrautarten im Enzkreis widmen, um so die Biodiversität in der Region zu erhalten und zu stärken.
Öffentlichkeitsarbeit
Schon seit Projektbeginn, wird das Thema „Ackerwildkrautschutz“ durch zahlreiche Exkursionen, Veranstaltungen und intensive Pressearbeit in die Öffentlichkeit getragen, um die Toleranz der Landwirte und auch der Bevölkerung gegenüber den „Unkräutern“ zu erhöhen.
Bestandskartierungen der Ackerwildkräuter im gesamten Enzkreis
In den Jahren 2006 bis 2007 wurden im Enzkreis Bestandskartierungen durchgeführt. Bei der Kartiermethode handelte es sich um eine sogenannte Feuerwehr-Kartierung, die keine flächendeckende und gleichermaßen intensive Kartierung meint, sondern eine Kartierung von Schwerpunktflächen, die vorwiegend vor Kartierbeginn ermittelt wurden. Die Ackerflächen des Enzkreises sind mittlerweile vollständig kartiert und werden auch aktuell auf interessante Ackerwildkraut-Vorkommen untersucht.
Flächen auf denen kartiert wurde, waren insbesondere:
- Grenzertragsflächen
- Flächen mit historisch bemerkenswerten Ackerwildkraut-Vorkommen
- Schwerpunktflächen in den Naturräumen Heckengäu und Stromberg, da sie laut historischen Daten bzw. der bundes- und landesweiten floristischen Kartierung (Floraweb & Naturkundemuseum Stuttgart) die meisten Vorkommen an seltenen und/oder gefährdeten Ackerwildkraut-Arten im Enzkreis aufweisen
- Flächen, die während den Kartierungen auffällig waren (Flächen von Biobetrieben)
Erhalt wertvoller Bestände durch Förderung der ackerwildkrautfreundlichen Bewirtschaftung nach LPR (Landschaftspflegerichtlinie)
Als erster Schritt zum Erhalt seltener und bedrohter Ackerwildkrautarten im Enzkreis, wurden LPR-Verträge (Landschaftspflegeverträge) mit den Flächenbewirtschaftern abgeschlossen, deren Flächen bei der Bestandskartierung wertvolle Bestände aufzeigten. Die Flächenbewirtschafter verpflichten sich ihre Flächen über fünf Jahre ackerwildkrautfreundlich zu bewirtschaften und erhalten dafür eine finanzielle Förderung. Bei einer guten Zusammenarbeit können diese Verträge nach Ablauf erneuert werden. Meist handelt es sich bei den Flächen um flachgründige und steinige Böden mit niedrigen Erträgen, wobei andere Standorte auch denkbar sind.
Eine ackerwildkrautfreundliche Bewirtschaftung beinhaltet eine:
- herbizidfreie Bewirtschaftung
- verminderte Einsaatstärke, vorzugsweise mit Wintergetreide
- Reduzierung oder einen Verzicht der Stickstoffdüngung
- Stoppelbrache von sechs Wochen direkt nach der Ernte des Getreides
Im Jahr 2022 sind im Enzkreis ca. 60 ha Ackerflächen unter Vertrag und zukünftig sollen weitere Vertragsflächen hinzukommen.
Erhalt wertvoller Ackerwildkraut-Arten durch das Anlegen einer Archefläche und vielzähliger Reservate
Seit 14 Jahren werden auf einer kleinen Ackerfläche (Archefläche) sämtliche im Enzkreis gefundene Rote-Liste-Arten gesichert. Dazu wurde gezielt und behutsam autochthones Saatgut aus kartierten Flächen geerntet und in die Archefläche eingesät. 2022 kommen dort über 40 gefährdete Ackerwildkrautarten vor. Auf neun weiteren Flächen wurden Ackerwildkrautreservate angelegt, die ebenfalls dem Erhalt der Arten dienen. Die Reservate wurden dabei naturraumspezifisch eingerichtet, d.h., dass bei der Aussaat der Arten darauf geachtet wurde, Arten nur dort auszusäen, wo sie historisch oder zum Zeitpunkt der Aussaat vorkamen oder an noch bestehende Vorkommen angrenzen.
Vermehrung und Gewinnung von autochthonem Saatgut bedrohter Arten auf Vermehrungsflächen in Reinkultur
Die gezielte Vermehrung und Gewinnung von autochthonem Saatgut bedrohter Ackerwildkräuter steht ab 2022 im Mittelpunkt der LEV-Arbeit. Interessierten Landwirtinnen und Landwirten soll künftig ausreichend heimisches und standortangepasstes Saatgut angeboten werden können. Diese Saatgutmischungen können zusätzlich zur Feldfrucht im Acker angesät werden, um so weiträumig die Arten in der Region zu stärken.
Die Ackerwildkräuter werden auf Vermehrungsflächen in Reinkultur (leichte Beerntung + große Samenmengen) naturraumspezifisch vermehrt. Bei der Vermehrung und Gewinnung gibt es eine enge Zusammenarbeit mit einigen engagierten Landwirten aus der Region, die auch ihre Ackerflächen dafür zur Verfügung stellen, und dem Sozialverein „miteinanderleben e.V.“.
Maßnahmen zur Verbreitung
Angestrebt wird eine kostenlose Verfügbarkeit der Saatgutmischungen für die Landwirtinnen und Landwirte. Die Saatgutmischungen werden naturraumspezifisch sein, d.h. für jeden Naturraum im Enzkreis wird es eine spezielle Saatgutmischung geben, die zu den Standortverhältnissen und den historischen Beständen im Naturraum passt. Angeboten wird das Saatgut nur im eigenen Kreis oder in angrenzenden Kreisen, da die Kreise ihre lokalen, standortangepassten Arten fördern sollen, um so eine höhere Artenvielfalt zu generieren. Beim miteinanderleben e.V. werden die Saatgutmischungen in Zukunft erhältlich sein.
Monitoring
Auch nach den Bestandskartierungen ist es wichtig, die Ackerwildkraut-Vorkommen weiter zu überwachen, um neue Arten zu entdecken und die Entwicklung bekannter Vorkommen zu verfolgen, um diese ggf. in das Projekt zu integrieren.
Inwiefern profitieren Landwirtschaftliche Betriebe vom Ackerwildkrautschutz?
- einjährige oder fünfjährige Förderung nach LPR (Landschaftspflegerichtlinie)
- durch geringere Aussaatmenge, verbessert sich das Kleinklima, was zu einem geringeren Pilzdruck führt
- natürliche Schädlingsbekämpfung (z.B. Schwebfliegen, die in den Flächen Lebensraum finden und Blattläuse fressen)
- Ackerwildkräuter sind demnach keine Problem-Unkräuter, sondern Acker-Begleitflora, die es schon seit den Anfängen des Ackerbaus gibt und der Landwirtschaft nutzen.